Ein Albumblatt für Miezi

Unserer Kornfest-Meditation hat sie noch beigewohnt. Den ersten Teil hat sie ausgelassen, doch die zweite Meditation hat sie mitgemacht. Wie immer schnurrend und ernsthaft und ganz in der Nähe von Klaus. Ich glaube, es hat kaum einen Meditationsabend gegeben, den sie versäumt hat. Sie war nicht immer die ganze Zeit da – zumindest nicht im Sommer. Aber im Winter fand sie sich schon immer kurz vor der Meditation ein und nahm schon mal im Kreis Platz. Miezi.

Seit der Kornfest-Meditation, die bei uns am 3. August 2017 stattfand ist sie verschwunden. Sie hat zusammen mit uns meditiert und ist anschließend nach draußen gegangen. Ich habe noch auf dem Balkon etwas umfallen hören. Das war alles. Als ich ihr am nächsten Morgen wie immer auf dem Balkon einen guten Morgen wünschen wollte, war ihr Stuhl leer. Ich wunderte mich darüber, denn diesen Sommer ist sie sehr viel zu Hause gewesen, war morgens eigentlich immer auf dem Balkon und hat dort auf ihrem Stuhl geschlafen. Wir haben uns kurz begrüßt und jeder hat sich danach in seinen eigenen Tag vertieft. Ein kurzes schönes Morgenritual.

Doch am Tag nach der Kornfest-Meditation war sie nicht da. Wirklich gedacht habe ich mir da noch nicht etwas, denn es kam hin und wieder vor, dass sie schon oder noch anderweitig beschäftigt war. Doch an diesem Tag wirkte der Stuhl seltsam leer und verwaist. Auch später am Tag tauchte sie nicht auf.

Sommeridyll 2017 mit Miezi

Bemerkenswert war, dass sich an diesem Tag auch keine einzige der anderen Hofkatzen blicken lies. Weder Maxl, ihr Sohn, noch Maurice oder Little Joe. Auch Silvester von nebenan nicht. Abends tauchte dann Little Joe auf. Irgendwann Maurice. Maxl habe ich erst am kommenden Tag wieder gesehen. Sie waren alle wieder da, einer nach dem anderen tauchte wieder auf – nur Miezi nicht. Auch die Nachbarn, die ich fragte, hatten sie nicht gesehen.

Natürlich habe ich sie gesucht, nach ihr gepfiffen und gerufen. Keine Reaktion. Ich weiß von früheren Begebenheiten, dass sie mir immer geantwortet hat, wenn sie irgendwo in einer Garage oder Scheune eingesperrt war. Kam ohnehin selten vor, aber wenn, dann hat sie geantwortet und ich konnte sie befreien. Doch dieses Mal blieb es still. Sie antwortete nicht, kam nicht. Und niemand hatte sie gesehen.

Seit dem Tag sind jetzt sechs Wochen vergangen. Ich bin mir sicher, dass sie gestorben ist. Woher ich das weiß? Das sagt mir mein Instinkt. Ich glaube nicht, dass ihr etwas Schlimmes zugestoßen ist, ich meine, dass sie überfahren wurde oder Opfer von Tierfängern geworden ist. Nein, ich glaube eher, dass sie eines natürlichen Todes gestorben ist. Sie war immerhin bereits 15 Jahre alt, vielleicht sogar ein klein wenig älter. Auch wenn man ihr die Jahre tatsächlich nicht angesehen hat und sie fit war.

Miezi im Sommer, Miezi im Herbst

So plötzlich und unerwartet wie sie 2003 im August in Sufferloh auftauchte, so plötzlich und unerwartet verschwand sie 14 Jahre später wieder. Irgendwie ist das stimmig. 14 Jahre lang hat sie mich begleitet. Fröhlich, vergnügt, verschmitzt und äußerst selbstbewusst. Niemand wusste damals, wo sie herkam. Sie war einfach da – erst bei der Nachbarin, dann auf dem Balkon eine Etage höher und im November ist sie bei mir eingezogen. Hochoffiziell.

Ich kann mich noch gut daran erinnern wie sie mir einmal beim Hakama-Zusammenfalten zusah und ich meinte sie kichern zu hören. Die langen Bänder faszinierten sie und so dauerte es nicht lange, bis sie beim Zusammenfalten half. Unnötig zu sagen, dass das Zusammenlegen ziemlich lange gedauert hat. (Wer´s nicht weiß, ein Hakama ist so etwas wie ein Hosenrock, ein japanisches Beinkleid.)

Ja, und im Frühling drauf, genaugenommen am 13.04.2004 brachte sie ihre ersten Jungen zur Welt – in meinem Wäscheschrank. Drei oder vier waren es. Ich weiß es nicht genau, da ich zu der Zeit nicht in Sufferloh war. Zwei waren es noch als ich zurückkam. Zwei haben überlebt. Maxl und Mori. Später im Jahr, am 14.08.2004 kam dann noch Felix hinzu und so war die Katzenfamilie komplett. Mori war nicht lange bei uns. Sie ist nur sechs Monate alt geworden. Felix ist vor drei Jahren gestorben und somit ist jetzt nur noch Maxl übrig. Und Maxl trauert sehr. Ich auch.

Bemerkenswert war auch wie sie ihre Jungen auf´s Leben vorbereitet hat. Sie hat ihnen gezeigt, wie man Mäuse fängt. Aber auch wie man auf Bäume klettert. Hierbei wurden Maxl und Mori (eigentlich Moritz, aber er entpuppte sich zu einer Mauritia) bei ihrem ersten Kletterausflug von einem Platzregen erwischt. Maxl kam sofort mit dem Regen vom Baum gerutscht und suchte Unterschlupf im Gebüsch. Mori traute sich nicht runter. Also kletterte Miezi hoch und ermunterte ihre Tochter abzusteigen: mit Lecken, Schnurren, sanften Ziehen an der Pfote. Ich wusste nicht, dass Katzen so fürsorglich sind. Sie hat sicher zwanzig Minuten um Mori geworben, bis sich diese schließlich ein Herz fasste und ebenfalls vom Baum rutschte (klettern konnte man das nicht mehr nennen). Mori ist danach übrigens schnurstracks nach Hause. Ihr Bedarf an Abenteuer war erst einmal gedeckt und den Rest des Tages hat sie verschlafen.

Die Katzen-Familie und ich waren sehr vertraut. Manchmal höre ich Miezi noch in der Wohnung wie sie eine Schranktür öffnet oder vor dem Fenster miaut. Manchmal erwarte ich sie noch – wenn auch eher unbewusst – wenn ich nach Hause komme. Hoffe, dass sie doch wieder von irgendwo her aus dem Gebüsch angekrochen oder vom Nachbarhof herüber kommt, wo sich sich gerne im Pferdestall, manchmal auch im Kuhstall aufgehalten hat. Aber natürlich kommt sie nicht.

Bemerkenswert ist vor allem wie sehr sie mich hier geerdet, ja zentriert hat. Fast fühlt es sich an als ob ich keine Wurzeln mehr hätte. Das hätte ich nie erwartet, nie gedacht. Das macht mich traurig und auch froh zugleich und bereit für einen neuen Anfang. Danke Miezi!

Kleine Matz, die rein will

3 Gedanken zu “Ein Albumblatt für Miezi

  1. Liebe Miezi,
    auf dem Photo ganz oben bist Du fast unsichtbar, denn Du „verschmilzt“ einfach irgendwie mit Deiner Umgebung… Es tröstet mich, mir vorzustellen, daß Dein Tod als dieses „Unsichtbarwerden“ verstanden werden kann, während Du trotzdem ganz still und heimlich sehr präsent bist, – in meiner Erinnerung, wenn ich an Dich denke.
    Laß‘ Dich, wo immer Du jetzt bist, ein wenig von mir streicheln, Du Süße!
    Alles Liebe,
    von Jutta

  2. Traurig, dass es Miezi nicht mehr gibt. Sie war zugänglich, offen für Besuch und immer schön anzusehen mit ihrem grauen Kuschelfell. Ich behalte sie gerne in Erinnerung – Annette.

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