Dies ist eins der Jahreskreisfeste und das wohl bei uns am wenigsten bekannte. Beste Voraussetzungen also, um sich diesem Fest in Meditation zu nähern. Denn je weniger wir vorher wissen, desto interessanter und aufschlussreicher die Ergebnisse. Somit habe ich für Samstag zur Meditation eingeladen – unabhängig von unseren normalen Donnerstags-Mediationen -, einfach damit wir mehr Zeit haben. Nicht nur zur Meditation, sondern auch für uns.
Doch zunächst ein paar Gedanken vorweg. Offensichtlich gehört dieses Fest in den keltischen Bezugsrahmen und läutet die Erntezeit ein. Traditionell wird es in der Nacht vom 31.07. auf den 1.8. gefeiert. Genau genommen wird es ab dem 31.7. gefeiert. Was ja sinnvoll ist, schließlich wird die Ernte nicht an einem Tag eingebracht. Darüber hinaus ist der August ein schwierigerer Monat, der Hitze, aber auch heftige Regenfälle und Gewitter mit sich bringen und somit die Ernte sozusagen noch in letzter Sekunde vernichten kann. Somit ist verständlich, dass die Erntezeit eine sensible Zeit ist und es wichtig ist Mutter Natur gnädig zu stimmen.
Bevor es los ging, haben wir gemeinsam den Raum vorbereitet. Jeder hatte etwas Passendes zum Schnitterfest mitgebracht: erste Kornähren (Weizen und Gerste), Gräser, die kurz vor dem Aussamen standen, Beeren, Äpfel, Räucherwerk wie Beifuß, Salbei und Habichtskraut. Ja und zwei Hufeisen – sicher ist sicher – waren auch dabei. Natürlich wurde auch an Kulinarisches für hinterher gedacht.
Und dann haben wir uns der Wesenheit des Schnitterfests genähert, um einen stärkeren Bezug zum Schnitterfest zu bekommen. Um es gleich vorweg zu sagen, ich finde es immer wieder bemerkenswert, wie ähnlich unserer Ergebnisse sind und gleichzeitig wie individuell verschieden, je nachdem welche innere Sprache wir sprechen. Und hier die Ergebnisse:
Gleich zu Anfang sehe ich eine schwarz gekleidete, alte, weibliche Gestalt vor mir. Sie hat eine dunkelgraue Kittelschürze über ihrem langen schwarzen bis zum Boden reichenden Rock an. Oder war es ein grauer Rock mit schwarzer Kittelschürze? In der Hand trug sie einen langen Stab. Es ist eine alte Frau, die mich mit glutroten Augen intensiv-kritisch, wenn nicht sogar böse beäugt. Ist sie die Wesenheit des Schnitterfests? „Nein“, sagt sie. „Ich bin die Kornmutter.“
Und je länger ich sie ansah, desto milder und freundlicher wurde ihr Blick. Schließlich drehte sie sich um und ging langsam über ein gemähtes Kornfeld, ein Stoppelfeld, von mir weg bis sie am Horizont verschwand. Das Feld lag in der Abendsonne. Ihre Arbeit war getan.
Dann sah ich die Wesenheit des Schnitterfests. Sie schwebte über allem, über der Landschaft: rauchig-grau-beige-braun. Typische Kornfarben. Freude überall. Freude, Tanzen, Lachen, Frohlocken, Jauchzen. Am liebsten hätte ich gleich mitgemacht. Alles gut! Sabine
Kreisbewegung, wie tranceartiger Tanz, bei dem das Getreide im Wirbel geschnitten wird. Wichtige Schlagworte: radikal, tun, kreativ, keine Zeit für Zweifel. Zeit, in der sich der Mensch am meisten aus dem vorgegebenen (vielleicht unbewussten) Jahreszyklus herausbewegt. Der Mensch unterbricht den Kreislauf des Getreides in großem Stil (natürlich wäre: vertrocknen, Samen verlieren oder gefressen werden), handelt sehr zielgerichtet und bestimmt. Der Mensch beginnt einen neuen, kreativen Zyklus für sich und das Getreide (abschneiden, vor der Zeit „fallen“, Mehl, Nahrung bereiten etc.) Martina
Während der gesamten Meditation hatte ich ein Gefühl von Instabilität und Sturzgefahr. Vor mir eine dunkle Öffnung mit hoher spürbarer Energie. Von dieser Öffnung ging ein starker Sog aus, der mich spiralförmig hineinzog. Ich hatte Sorgen aus der Bahn geworfen zu werden, fühlte eine große Müdigkeit. Loslösung von irdischen Belangen. Klaus
Nach den Anfangsschwierigkeiten dieser Meditation sehe ich Sequenzen von durchsonnter Ackerlandschaft wie aus alter Zeit… Strohhüte, Holzrechen, Dreschflegel, …Maus …Hamster …Greifvogel. Dazwischen fiel mir ein Stück meines Jahreszeiten-Gedichts ein: „… Korn, das wogt in Sonnenglut. Schwüle, schwarze Wetterwolken, – aufatmende Regenflut …“
Im „wogenden Kornfeld“ wird eine rundlich-dralle Frau erkennbar. Sie hat ein mildes Lächeln im runden Gesicht, das umrahmt wird von kurzen, buttergelben, steifen Zöpfchen, – oder sind es lauter Getreideähren, die ihren kugeligen Kopf bedecken und ihr bis auf die Schultern fallen? Sie kommt mir wie an eine ausgestopfte Stoffpuppe vor. Sie steckt in einem weitausladenden Rock, der um ihre Taille zu wirbeln scheint, das bunte Streifenmuster sieht dabei aus wie bei einem sich sehr schnell drehenden Kreisel. Der munter wogende Singsang des Feldes bewegt sie mühelos mit. Auf meine Frage: „Bist du das Wesen des Schnitterfestes?“ legt sie verschmitzt lächelnd einen Finger vor die Lippen, als wollte sie „pst!“ sagen. Was ich aber höre ist „Samsara-samsara-samsara“ *, wobei das „s“ jeweils ein scharfes Geräusch ist, wie bei einem Sensenschnitt.
Auf einer anderen Ebene sehe ich Menschen bei einem Kreistanz, der mir nicht wie fröhliches Feiern aussieht, sondern eher ernst und getragen, wie ein Totentanz. Jutta
Ich habe später nachgesehen, ob samsara irgendetwas Bestimmtes bedeutet. Und das habe ich gefunden: Samsara (Sanskrit und Pali wörtlich: „beständiges Wandern“) ist die Bezeichnung für den immerwährenden Zyklus des Seins, den Kreislauf von Werden und Vergehen oder den Kreislauf der Wiedergeburten in den indischen Religionen des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus.