Ist Zeit eine Linie?

Oder ist sie ein Kreis? Wenn ich meinen Alltag betrachte, meine täglichen Aufgaben oder wenn ich ein Projekt plane, kommt mir Zeit als Linie vor: Hier starte ich, da will ich hin und dies und das muss dazwischen erledigt werden. Wiederholt sich jedoch ein Projekt, kommt schon eher ein Kreisgedanke hinzu. Es gibt einen Start, Aktionen und ein Ende und alles geht wieder von vorne los.

Jeder Tag läuft so ab. Wenn ich mich etwas von meinem Tagesablauf „wegbeame“ wird es noch deutlicher. Zeit zeigt sich als Kreis, da sich das Tagesende wieder auf den Tagesanfang zubewegt und der Tagesanfang auf das Tagesende.

Noch deutlicher wird es, wenn ich mir das Jahr anschaue. Das Jahr dreht sich fortwährend. Auf ein Ende folgt ein neuer Anfang folgt ein neues Ende folgt ein neuer Anfang … Und zwischen Anfang und Ende ist ein steter Wechsel. Jahreszeiten wiederholen sich.  Die Tage werden länger, werden wieder kürzer. Es wird gesät, es wächst, es wird geerntet, es ruht. Niemals Stillstand! Eins folgt auf das andere und doch ist es niemals gleich. Es vergeht und kommt wieder zurück.

Ursprünglich mochte ich den Sommer am wenigsten. Natürlich war Sommer schön. Die Tage lang, das Wetter heiß und sonnig, Raum für Feste im Freien. Der Duft blühender Linden in der Luft. Die Bäume haben ihre Blätter wieder und man kann sich kaum vorstellen, dass es jemals wieder anders aussehen kann. Aber der Sommer hatte für mich auch immer eine tiefe Trägheit an sich, so eine Art Bewegungslosigkeit und Spannung, die mir nie zugesagt hat. Erst vor zwei Jahren habe ich die Schönheit des Sommers für mich entdeckt. Diese tiefe Sommerstille, die manchmal auf dem Land spürbar und meist von Hitze begleitet ist. Das ist wunderbar. Das leise Sommerknistern, wenn zarte Blüten vom wilden Wein mit einem „ksss, ksss, ksss“ aufplatzen und von Bienen eifrig umschwärmt werden. Das hat was.

Dennoch ist meine Welt der Herbst. Es gibt wieder Bewegung, ein Wechsel von Farben, Eindrücken, Gerüchen. Im Wald riecht es leicht modrig und nach Pilzen. Ich liebe das Rascheln der Blätter auf dem Waldboden. Die Farben sind nie kräftiger und leuchtender als im Herbst und sie ändern sich täglich. Und dann das unvergleichliche Herbstlicht. Grell, hell und kühl. Der Herbst ist meine kraftvollste Zeit.

Dann der Winter. Auch dies ist für mich eine kraftvolle Zeit, auch wenn ich das Bedürfnis nach Rückzug spüre, um Ideen und Vorhaben in mir zu bewegen. Meditationen, Gespräche mit Freunden sind besonders tief. Außerdem mag ich Schnee und Kälte. Beides hat etwas sehr Friedliches. Schnee ist wie eine sanfte Decke, unter der sich die Natur schlafend erneuern kann. Ich selbst bin im „Hochwinter“ geboren, vielleicht mag ich den Winter deswegen so sehr.

Ja, und dann der Frühling. Der Anfang ist mir immer ein wenig unangenehm. Vielleicht weil die Welt noch so zerknautscht aussieht? Wenn der Schnee weggetaut ist wirkt die Welt noch so schmuddelig graubeige. Doch dann, erst langsam und zaghaft, strecken die ersten Blumen und Kräuter ihre Köpfe heraus. Vögel kommen zurück, machen früh morgens bereits Radau und suchen die besten Nistplätze. Die Tage sind bereits lang und werden immer länger bis Mitte Juni der Sommer wieder beginnt.

Bei uns wird der Jahreskreis durch die vier Jahreszeiten bestimmt, die durch vier Eckpunkte markiert sind:

  • Mittsommer (die kürzeste Nacht im Jahr, Sommeranfang)
  • Mittwinter (der längste Nacht im Jahr, Winteranfang)
  • Frühlingstag- und Nachtgleiche
  • Herbsttag- und Nachtgleiche

Dazwischen gibt es vier weitere Stationen, die den Jahreskreis einteilen:

  • Maria Lichtmess (Imbolc), 1. Februar
  • Walpurgis (Beltane), 1. Mai
  • Schnitterfest (Lughnasadh), 1. August
  • Allerheiligen (Samhain), 1. November

In diesem Blog findet ihr entsprechend immer wieder Naturgeflüster, Eindrücke, Mediationen aus dem Kreis des Jahres. Ein wenig Recherche hat mich mit den acht keltischen Jahreskreisfesten bekannt gemacht. Alle sechs Wochen findet im Kreis des Jahres ein besonderes Naturfest, ein besonderes Lichtfest statt. Es gliedert den Kreis, gibt Struktur, macht uns bewusst, dass wir Teil eines großen Ganzen sind und lässt uns das Jahr bewusster erleben.