Gestern war Mittwinter, der kürzeste Tag und die längste Nacht in 2016. Ziemlich genau 7 Stunden und 57 Minuten war es hell hier in Sufferloh. Länger nicht. Die übrigen 16 Stunden war es dunkel. Wenn ich morgens zurzeit das Haus verlasse, ist es dunkel und wenn ich abends zurückkomme schon wieder. Dazwischen erscheint und vergeht der Tag unbemerkt im Trubel des Alltags. Man könnte fast meinen, es wird überhaupt nicht Tag. Wird es natürlich doch, aber eben nur kurz und meist dann, wenn wir keine Zeit dafür haben.
Wenn ich mir ausmale, wie Menschen vor ca. 150 bis 200 Jahren oder noch früher gelebt haben, besonders in den ländlichen Gebieten oder hier am Alpenrand, dann kann ich mir gut vorstellen, dass diese dunkle Winterzeit durchaus etwas Unheimliches an sich hatte. Häufig stürmt es, die wilde Jagd zieht durchs Land, unruhige Geister irren umher und suchen Zuflucht. Diese merkwürdige Zeit zwischen den Jahren, die Rauhnächte, die Zeit zwischen Heilig Abend und Heilige Drei Könige. Das Mondjahr ist bereits zu Ende, das Sonnenjahr läuft jedoch noch 12 Tage weiter. Und in dieser „Lücke“ zwischen den Jahren soll es eben besonders leicht sein, mit der anderen, der jenseitigen Welt – aber auch mit Tieren – in Kontakt zu treten. Viele Rituale und Bräuche gibt es in diesem Zusammenhang, die wir lebendiger halten, als uns wahrscheinlich bewusst ist.
Ich glaube, dass wir einen Hauch dieser unheimlichen Zeit immer noch spüren. Nicht umsonst hängen wir Lichter in unsere Fenster, erleuchten mit Lichterketten in unseren Gärten Bäume oder Sträucher. Oder stellen einfach nur eine Kerze ans Fenster. Kürzlich habe ich mit einer Freundin telefoniert, die gerade eine Zeitschaltuhr für eine Lichterkette oder Stern programmiert hatte. Sie sagte, es sei einfach schön, wenn man abends müde nach Hause käme und ein Licht warm im Fenster leuchten sähe. Das kann ich nur bestätigen. Auch bei mir gibt es einen Lichterbogen, der in der Dunkelheit am Fenster leuchtet und mich nach Hause winkt.
Aber gestern war Mittwinter, die Wintersonnenwende. Jetzt werden die Tage länger. Das Licht gewinnt an Kraft. Es kehrt zurück. Grund zum Feiern!
Unsere Meditationsrunde hat sich heute entsprechend bewusst mit der Wesenheit von Mittwinter auseinandergesetzt bzw. mit ihr zusammen meditiert. Und sie hat sich in zwei Gewändern gezeigt: in einem dunklen stillen Gewand und in einem goldenen Gewand. Beide zeigen wichtige Aspekte von Mittwinter.
Ich sehe sich kontinuierlich fortpflanzende Wellenringe auf dem Wasser, ausgelöst durch den Ton der (von Sabine angeschlagenen) Klangschale. Der Ton ist wie ein Tropfen in das Eisloch eines gefrorenen Sees in einer Winterlandschaft gefallen. Ich beuge mich vor und sehe unter der offenen Wasserfläche schemenhaft ein Gesicht mit geschlossenen Augen, aus dessen Mund ein sehr tiefes „Oooooommmmmmmm“ strömt, ähnlich wie mongolischer oder tibetischer Mantragesang. In manchen Augenblicken meine ich, mein eigenes Spiegelbild zu erkennen … Die Lichtverhältnisse in dieser Landschaft sind eher düster. Alles wirkt ein wenig erstarrt. Wie im Stillstand.
Der Ton der Klangschale am Ende der Meditation löst das Phänomen in umgekehrter Reihenfolge aus: die Wellenringe ziehen sich in die Mitte zurück, aus der ein „Tropfen“ in die Luft nach oben springt … Das Eisloch schließt sich. Jutta
Kaum hatte ich die Augen zur Meditation geschlossen, sah ich ein starkes Flimmern vor mir in der Dunkelheit. Erst dachte ich, es sei das Flimmern der brennenden Kerze, aber war es nicht. Als nächstes bemerkte ich wie dieses Flimmern immer stärker wurde. Vor mir erschien eine Art Rauschgoldengel. Nein, es war eine junge Frau, die durch einen dunklen, kalten, kahlen Winterwald ging. Sie war golden gekleidet, mit einen silbernen Umhang darüber – oder war es umgekehrt? Jedenfalls strahlte sie. Sie strahlte tiefe Freude aus. Sie war unterwegs zu einer Feier. In der Ferne konnte man ein hell erleuchtetes Schloss sehen. Ich hörte eine Melodie, zu deren Rhythmus sie unterwegs war.
Ich sah mich selbst in Alltagskleidung in Meditationshaltung in meinem Wohnzimmer und spürte eine tiefe Sehnsucht, mit diesem Lichtwesen mit zu gehen und zu feiern. Da war Sehnsucht nach Licht, Wärme, Musik, Leben. Und mit jedem Schritt, den die Mittwinterwesenheit durch den dunklen Wald schritt, wurde sie strahlender, heller und rauschender. Ja, ich konnte ihr Licht wie das brüllende Rauschen eines Feuers wahrnehmen. Ein wunderschönes Bild. Sabine